Migräne: mehr als nur Kopfschmerzen


Pulsierende Kopfschmerzen, Sehstörungen und Übelkeit: Migräneattacken machen den Betroffenen ordentlich zu schaffen. Licht, Geräusche, Gerüche und Berührungen werden zur Qual. Nur Stille und Dunkelheit helfen. Und trotzdem haben Betroffene mit Vorurteilen zu kämpfen, denn die Attacken werden oftmals als normale Kopfschmerzen abgetan. Dabei handelt es sich bei Migräne um eine neurologische Erkrankung, die den Patienten in seinem Alltag extrem einschränken kann.


Was ist Migräne eigentlich?

Migräne ist eine neurologische Erkrankung bzw. eine vorübergehende Funktionsstörung des Gehirns. Sie ist sehr komplex und obwohl schätzungsweise 10 bis 15 % der Bevölkerung von Migräne betroffen sind, kommt die Forschung nur langsam voran.

 

Migräne äußert sich in erster Linie durch attackenartige Kopfschmerzen, die meist eine Kopfhälfte betreffen und die mit einfachen Kopfschmerzen keineswegs zu vergleichen sind. Anders als bspw. bei Spannungskopfschmerzen machen Bewegung und frische Luft die Schmerzen nur noch schlimmer. Was hilft, ist Ruhe und Dunkelheit – und die Hoffnung, dass der Anfall schnell überstanden ist.

 

Als wären die pochenden Kopfschmerzen nicht schon genug, gibt es noch eine Reihe weiterer Begleiterscheinungen. Übelkeit und Erbrechen, Schüttelfrost, Nackenschmerzen und extreme Licht- und Lärmempfindlichkeit können auftreten. Schon sanfte Berührungen können Schmerzen auslösen und Straßengeräusche sind selbst bei geschlossenem Fenster unerträglich.

 

Bei der Entstehung von Migräne spielt auch die Genetik eine Rolle, denn die Erkrankung ist vererbbar. Hat man einen nahen Verwandten, der an Migräne leidet, ist die Wahrscheinlichkeit höher, selbst daran zu erkranken. Bei einigen Personen entsteht die Erkrankung erst in der Pubertät, andere haben sogar schon als Kleinkind damit zu kämpfen. Bis zur Pubertät sind Jungs und Mädchen gleichermaßen betroffen. Später tritt Migräne bei Frauen häufiger auf als bei Männern.

 

Bis heute sind sich die Wissenschaftler nicht ganz sicher, was eine Migräneattacke auslöst bzw. was währenddessen im Gehirn passiert. Nach aktuellem Forschungsstand geht man davon aus, dass durch bestimmte Auslöser (sogenannte Trigger) der Hirnstamm überreizt wird. Dadurch weiten sich die Blutgefäße und Entzündungsbotenstoffe werden freigesetzt, wodurch es zu einer „sterilen“ Entzündung im Gehirn kommt. Das bedeutet, dass eine Entzündungsreaktion ohne äußere Einflüsse wie bspw. Bakterien hervorgerufen wird. Diese Entzündungsbotenstoffe setzen an die Schmerzrezeptoren der Hirnhäute an und lösen einen Schmerzreiz aus: Die typischen Migräne-Kopfschmerzen beginnen.

 

Eine solche Attacke kann unbehandelt zwischen 4 und 72 Stunden andauern. Manche Personen haben nur wenige Male im Jahr mit ihrer Migräne zu kämpfen, andere hingegen mehrmals pro Woche. Im schlimmsten Fall kann Migräne sogar chronisch werden. Das bedeutet, dass die Betroffenen an mindestens 15 Tagen im Monat an Migräne leiden.

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Migräne-Schnelltest

Anhand eines Schnelltests kann ermittelt werden, wie wahrscheinlich es ist, dass es sich bei den Kopfschmerzen um eine Migräne handelt. Wenn 2 von 3 Fragen mit Ja beantwortet werden, ist die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Migräne sehr hoch:

Frage 1: Wurden Ihre Aktivitäten während der vergangenen drei Monate über einen Tag lang oder länger durch Kopfschmerzen eingeschränkt?
Frage 2: Leiden Sie während Ihrer Kopfschmerzen an Übelkeit oder Erbrechen?
Frage 3: Stört Sie Licht, wenn Sie an Kopfschmerzen leiden?

Trigger

Welche Faktoren eine solche Überreizung des Gehirns auslösen können, ist für jede Person unterschiedlich. Häufige Trigger sind allerdings:

  • Stress, oftmals aber auch die Entspannungsphase danach (die sogenannte „Wochenendmigräne“),
  • Veränderungen im Tages- und Schlafrhythmus,
  • unregelmäßiges Essen oder das Auslassen von Mahlzeiten,
  • starke Emotionen,
  • hormonelle Veränderungen und Schwankungen,
  • Wetterumschwung,
  • zu viel Sonnenlicht,
  • histaminreiche Nahrungsmittel wie Wein oder Käse,
  • lange Bildschirmzeiten,
  • usw.

Migränetagebuch

Herauszufinden, was die eigenen Auslöser für Migräne sind, ist gar nicht mal so einfach. Einzelne Faktoren können zwar identifiziert werden, oftmals sind es aber mehrere Umstände, die zusammen eine Migräne auslösen.

 

Trotzdem kann es helfen, ein Tagebuch zu führen, in dem bspw. notiert wird, was man gegessen und getrunken hat, wie man geschlafen hat, wie das Wetter war oder ob es sich um einen sehr stressigen Tag gehandelt hat. Für Frauen kann es auch hilfreich sein, sich zu notieren, in welcher Phase des Monatszyklus sie sich gerade befinden. Schreiben Sie alles auf, was Ihnen wichtig erscheint.

 

Treten Kopfschmerzen oder sogar ein Migräneanfall auf, sollten Sie später die Dauer und Intensität der Schmerzen aufschreiben, welche Medikamente Sie genommen und ob diese geholfen haben. Auch die Begleiterscheinungen wie Übelkeit oder Lichtempfindlichkeit können Sie erwähnen.

 

Hat man ein solches Tagebuch für längere Zeit geführt, lassen sich eventuell bestimmte Muster erkennen. Vielleicht macht sich bemerkbar, dass ein gewisses Lebensmittel häufig Migräne auslöst oder man merkt, dass die Kopfschmerzen und Migräneanfälle zyklusabhängig sind. Außerdem können Sie so herausfinden, welches Medikament Sie einnehmen können, um besonders schnell eine Besserung zu verspüren.

 

Auch wenn man gegen einige Auslöser nicht direkt etwas tun kann, hilft es doch, die eigenen Trigger zu kennen. Reagieren Sie z.B. auf bestimmte Lebensmittel, können Sie ganz einfach auf diese verzichten. Macht Ihnen Stress zu schaffen, können Sie dem eventuell mit Meditation oder Entspannungsübungen entgegenwirken. Stehen Sie im (Arbeits-)Alltag ständig unter Strom, kann auch eine Veränderung des Lebensstils oder des Jobs dazu beitragen, Stress zu reduzieren.

 

Wichtig ist allerdings, dass Sie sich dabei nicht verrückt machen. Falls Sie sich zu sehr unter Druck setzen, oder bspw. bei jeder Wetterveränderung angstvoll einen Migräneanfall befürchten, triggern Sie diesen im Endeffekt durch den Stress, den Sie sich dadurch selbst machen. Betrachten Sie das Tagebuch und das Ausfindigmachen Ihrer Auslöser als eine Unterstützung, die Ihnen im Umgang mit der Migräne helfen kann.

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Vorzeichen und Hinweissymptome

Ein Migräneanfall kann sich bereits einige Tage im Voraus ankündigen. Viele Menschen leiden vor einer Attacke unter Stimmungsschwankungen, Nervosität, häufigem Gähnen, Müdigkeit, Appetitlosigkeit oder Heißhunger.

 

Das Trügerische dabei ist: Diese Hinweissymptome sind schon Teil des Anfalls, nicht aber dessen Ursache oder Auslöser. Leidet man in den Tagen vor einem Anfall bspw. an Heißhunger und verspeist daher eine ganze Tafel Schokolade, könnte man dazu tendieren, die Schokolade als Trigger zu sehen. Oder ist man besonders gereizt wegen eines bevorstehenden Migräneanfalls, ist die Entstehung von Stress und Streit nicht ganz abwegig. Der Stress ist dann aber nicht der Auslöser für die Migräne, denn die Attacke hat längst begonnen.

Migräneformen

Mediziner unterscheiden zwischen mehr als 20 verschiedenen Migräneformen. Die 2 Hauptformen sind allerdings Migräne mit Aura und Migräne ohne Aura.

Migräne mit Aura

Bei einer Migräne mit Aura treten neben den Kopfschmerzen auch neurologische Symptome wie Kribbelgefühle, Lähmungen oder Sehstörungen auf. Die Betroffenen sehen bspw. Lichtblitze, Flecken  oder Flimmern, haben Schwierigkeiten beim Sprechen oder können Arme und Beine nicht richtig kontrollieren.

 

Die Aura geht den Kopfschmerzen etwa 30-60 Minuten voraus. Meistens verschwindet sie innerhalb einer Stunde wieder. Etwa 10 % der Migräne-Patienten leiden an Migräne mit Aura. Das muss allerdings nicht bei jeder Attacke der Fall sein. Bei vielen tritt die Aura manchmal auf, manchmal aber auch nicht.

Migräne ohne Aura

Bei den meisten Migräne-Patienten kündigen sich die Kopfschmerzen allerdings nicht mit Aura-Symptomen an, sondern entstehen ohne Vorwarnung und innerhalb kürzester Zeit.

Warum eine Aura bei einigen Personen auftritt und bei anderen nicht, ist wissenschaftlich noch nicht geklärt.

Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten

Migräne ist unheilbar. Allerdings gibt es Medikamente und andere Mittel, die bei einem Anfall helfen können.

 

Wer schon länger unter Migräne leidet, weiß, wann sich ein Anfall anbahnt. Jetzt ist es wichtig, schnell entgegenzusteuern, damit die Schmerzen schneller wieder unter Kontrolle sind. Besonders Ruhe und Dunkelheit sind dann wichtig. Auch ein kühler Lappen oder ein Kühlakku auf der Stirn können guttun.

 

Außerdem gibt es wirksame Medikamente, die einen Migräneanfall abschwächen bzw. verkürzen können. Welcher Wirkstoff hilft, ist von Person zu Person sehr unterschiedlich: Wo bei den einen ein klassisches Schmerzmittel Linderung bringt, benötigen andere spezielle Migränemittel.

Klassische Schmerzmittel

Bei leichten und mittelschweren Migräneanfällen können normale Schmerzmittel mit Paracetamol oder Ibuprofen ausreichen. Auch Kombipräparate mit mehreren Wirkstoffen können helfen.

Triptane

Triptane gelten als erste Wahl bei schwereren Migräneanfällen. Sie agieren an den Stellen im Hirn, an denen der Migräneschmerz entsteht. Sie wirken gefäßverengend, blockieren die Übertragung der Schmerzempfindung ins Gehirn und verhindern, dass weitere entzündungsfördernde Substanzen freigesetzt werden. Der Vorteil: Triptane helfen sehr schnell und können bereits nach 10 Minuten Linderung bringen.

 

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In Maßen statt Massen

Kopfschmerzmedikamente sollten an höchstens 10 Tagen pro Monat eingenommen werden. Auch wenn es paradox klingt: Kommen sie zu oft zum Einsatz, können sie Kopfschmerzen sogar verursachen oder verstärken!

Den Alltag meistern

Migräne kann den Alltag des Betroffenen und seines Umfeldes schwer beeinträchtigen. Leidet jemand häufig unter Anfällen, ist es fast unmöglich, Aktivitäten im Voraus zu planen. Denn bahnt sich eine Attacke an, müssen Verabredungen oder Termine spontan abgesagt werden, weil die Migräniker nicht fähig sind, sie wahrzunehmen, sondern stattdessen das Bett hüten müssen.

 

Das kann sehr belastend sein: Einerseits leidet man selbst unter den Attacken, andererseits hat man aber auch Angst vor den Reaktionen der Mitmenschen, weil man sie wieder einmal versetzen musste und deren Planung durcheinander gebracht hat. Aber eines sollte man sich immer vor Augen halten: Migräne ist eine Erkrankung, für die man nichts kann und die man sich nicht ausgesucht hat!

 

Auch wenn Migräne nicht heilbar ist, gibt es doch einige Tipps und Tricks, die der Entstehung von Anfällen entgegenwirken bzw. vorbeugen können:

  • Ganz vorne mit dabei ist das Einhalten von Routinen. Ein regelmäßiger Tagesablauf kann das Hirn vor einer Überreizung schützen. Versuchen Sie, immer etwa zur gleichen Zeit schlafen zu gehen und aufzustehen, genug zu trinken, regelmäßig zu essen und keine Mahlzeiten ausfallen zu lassen. Diesen Rhythmus sollten Sie – selbst wenn das schwerfällt – auch am Wochenende und im Urlaub beibehalten.
  • Achten Sie darauf, dass Sie sich genügend bewegen und Sport machen – planen Sie aber gleichzeitig ausreichend Zeit ein, um zur Ruhe zu kommen und das Erlebte zu verarbeiten.
  • Stress lässt sich nicht immer vermeiden, Sie sollten aber die Möglichkeit haben, diesen mithilfe von Bewegung, Meditation oder Entspannungsübungen auszugleichen.

Welche Mittel und Methoden schlussendlich am besten zu Ihnen passen, können nur Sie selbst herausfinden. Überlegen Sie, was Ihnen guttut und in welchen Gewohnheiten und Beschäftigungen Sie Entspannung finden können.